Seit ihrer Ankunft in Chemnitz haben sich Shubhangi Singh und Maja Simišić intensiv mit der Stadt und ihren Bewohner:innen vernetzt. Der Raum, die Zeit und das, was dazwischen passiert, sind für sie der Ausgangspunkt für neue Entdeckungen und künstlerische Überlegungen.
Shubhangi Singh hat ihre Praxis des Verweilens und Notizenmachens in öffentlichen Räumen fortgesetzt und stieß dabei auf die rotierenden Uhren im Stadtzentrum von Chemnitz. Diese Uhren sind eigentlich keine funktionalen Zeitmesser mehr, sondern werden als Werbeträger genutzt. Zuletzt bleiben sie dabei aber oft leer. Ein Quader mit Flächen für große Plakate unter den Uhren dreht sich langsam im Gegenuhrzeigersinn, was sie für Shubhangi Singh zu einem Symbol für die Verschiebung und Neuinterpretation von öffentlicher Zeit und Raum macht. Ihre Überlegungen kreisen um die politische Dimension von öffentlichen Uhren, die für sie seit jeher Machtstrukturen widerspiegeln – sei es durch die Kirche oder die Wissenschaft, die die Zeit bestimmten. Diese Uhren sind für sie nicht nur Relikte der Vergangenheit, sondern auch eine Form der Kontrolle, die einen Raum schaffen, der öffentlich und doch kontrolliert ist.
Seit mehreren Jahren beschäftigt sich Shubhangi Singh mit den Verbindungen zwischen (kolonialer) Botanik und Wissenschaften sowie deren Beziehung zur heutigen Kriegsproduktion. Dafür hat sie sich auch mit dem Botanischen Garten in Chemnitz vernetzt. Ihr Interesse gilt der Untersuchung von Duplikaten innerhalb von Pflanzenproben sowie der Fälschung und Fabrikation in kolonialen Wissenschaften. Dabei fragt sie sich, welche Merkmale eine Probe zu einem Duplikat machen und was ein „Original“ in der Botanik ausmacht. Dieses Wissen könnte vielleicht auch neue Perspektiven auf die Logik von Menschen und Staatsangehörigkeiten eröffnen.
Für Maja Simišić ist es vor allem der Leerstand in der Stadt, den sie in ihren Gedanken immer wieder aufgreift. In Chemnitz gibt es zahlreiche leerstehende Gebäude, was in Großstädten oft weniger der Fall ist. In den Metropolen sind Atelierräume kaum bezahlbar und Raum für Kunstprojekte oder Wohnungen ist schwer zu finden. Leerstand ist für Maja Simišić nicht nur ein Zeichen von Verfall, sondern auch von Möglichkeiten. Obwohl er für Chemnitz negative Aspekte hat, weil er zeigt, dass es an Menschen fehlt, die diese Räume beleben, gibt es auch Hoffnung, dass noch nicht alles voll ist – was Raum für Ideen und kreative Projekte lässt.
Die Interventionen der Künstlerinnen, die sie ab dem 19. April präsentieren, setzen sich mit diesen Themen auseinander und laden dazu ein, den öffentlichen Raum zu hinterfragen und neu zu gestalten. Es geht nicht um endgültige Antworten, sondern um eine fragende Auseinandersetzung.
Die Interventionen werden begleitet von Valentin Mici, der nun seit über 10 Jahren in Chemnitz lebt und seine eigene Perspektive auf die Stadt und das Projekt einbringt. Valentin ist dabei Portraits von Menschen auf dem Sonnenberg zu machen, die dann entwickelt und Teil einer kleinen Ausstellung im öffentlichen Raum sowie einem gemeinsam Gespräch in der Nachbarschaft werden sollen.
Seid dabei und lasst euch einladen, am 19. April um 16 Uhr im Lokomov (Sonnenberg) dabei zu sein. Wir freuen uns auf euch.
Bleibt dran für mehr Eindrücke aus dem fortlaufenden Prozess!