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DREI FRAGEN AN TAINÁ GUEDES UND KLARA RAVAT

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^ Klara Ravat

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^ Ansicht des in der Entstehung begriffenen, rituellen Teppichs von Klara Ravat, by stitch_rugs

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^ Gurvinder Kaur, Indien
Photo by Taina Guedes
Bildbearbeitung: Julia Küttner

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^ Zohal, Rezaie, Afghanistan
Photo by Taina Guedes
Bildbearbeitung: Julia Küttner

Du bist / Ihr seid nun seit einigen Wochen in Chemnitz (unterwegs):
Wie sind deine / eure Eindrücke von der Stadt? Ist dir / euch irgendwas bestimmtes aufgefallen? Warum? Welche Unterschiede siehst du / seht ihr dabei z.B. zu eurer Heimatstadt Berlin?

 

Klara: "Chemnitz, das "Land" der leerstehenden Gebäude. Ich bin wirklich beeindruckt von der Fläche und den leerstehenden Gebäuden in der ganzen Stadt. Diese Leere vermittelt mir den Eindruck unbegrenzter Möglichkeiten – Dinge geschehen zu machen und zu lassen. Es ist, als würden die leeren Räume meine Tagträume geradezu anfachen. Unweigerlich kommen mir viele Fragen über Raum und Wohnen in den Sinn: "Was würde passieren, wenn ich nach Chemnitz ziehe? Würde ich es mir eines Tages leisten können, in dieser Stadt ein ganzes Gebäude zu kaufen? Könnte ich mich in einem dieser Gebäude niederlassen und es in ein riesiges Geruchslabor umbauen? Würden Leute aus Berlin vorbeikommen, wenn ich an den Wochenenden einen Kleinbus besorge?" Phantasieren über die Möglichkeiten des Raumes.

Was mich ebenso fasziniert, ist die große Anzahl der Gärten, und wie engagiert die Menschen, die die Gärten betreiben, sind. In einer Stadt, die recht ruhig und beschaulich erscheint, finde ich, dass die Gemeinschaftsbildung und Treffpunkte ein Muss sind, um sie in Verbindung zu halten.

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Tainá: Ich freue mich, so viele Garteninitiativen und Menschen zu sehen, die eine nachhaltigere, integrativere und harmonischere Gesellschaft aufbauen wollen. Ich habe Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund getroffen, die in der Stadt leben, und sie sind alle so stark und inspirierend - vom Haus der Kulturen, über die Lila Villa und ihrer internationalen Community bis hin zu allen Deutschen und Einheimischen. Ich hatte nicht mit einer Stadt mit so viel Platz und großen Alleen gerechnet. Das gefällt mir, als symbolisches Bild. Schöpfung braucht Raum. Veränderung braucht Raum. Wenn ich also über diese beiden Dinge nachdenke (den Raum in der Stadt und diese Menschen, die ich getroffen habe), denke ich, dass das vielleicht vorherrschende negative Bild der Stadt zum Positiven geändert werden kann.

Die Arbeit, die der Klub Solitaer e.V. mit Dialogfeldern leistet, ist eines der entscheidenden Projekte auf diesem Weg für Veränderungen. Die Idee sechs Künstler:innen von außerhalb in der Stadt zusammen zu bringen, um mit der lokalen Gemeinschaft zu arbeiten und zum Denken über öffentliche Räume anzuregen, ist ein wirkungsvolles Instrument, um Menschen für eine positive Veränderung zusammenzubringen.
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Im Vergleich zu Berlin sehe ich Gemeinsamkeiten in den Garteninitiativen und der wachsenden Anzahl junger Menschen, die bereit sind, sich einen "kleinen Garten" zuzulegen, der nachhaltigere Ideen und das Ziel mit sich bringt, die Städte grüner zu machen.

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Im Rahmen der Dialogfelder 2020 Von Sinnen widme(s)t du dich / ihr euch dem Geruchs- bzw. Geschmackssinn: Gibt es dabei Impressionen, die du / ihr vor allem aus dem Sonnenberg zieh(s)t? Um welche handelt es sich konkret? Wie finden sich diese in deiner / eurer Arbeit wieder?

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Klara: "Im Moment finde ich die Gerüche des Viertels Sonnenberg recht neutral. Da die Räume so weiträumig sind und aufgrund der COVID-Bestimmungen im Moment kaum Menschenansammlungen möglich sind, verflüchtigen sich die Gerüche. Ich frage mich dabei, ob die Stadtplanung und der fast nicht vorhandene Geruch Hand in Hand gehen. Durch den wunderbaren Rundgang, den Octavio und Lisa vom Bordsteinlobby e.V. an den ersten Tagen in der Stadt umsetzten, habe ich erfahren, dass Chemnitz früher sehr nach Trabant-Öl roch und die Verschmutzung durch die umliegenden Tagebaue die Stadt geradezu vereinnahmte.

Die (scheinbare) Geruchsneutralität muss also etwas wirklich Wichtiges für alle und für die Geschichte der Stadt sein. Es ist fast so etwas wie ein Aushängeschild, eine Art Wink. Der neutrale Duft erinnert uns daran, zu vergessen und hinter uns zu lassen, wer wir waren, und deutet an, wer wir sein wollen.

Die tabula rasa oder die weiß-duftende Leinwand weckt meine Vorstellungskraft, so wie es die leeren Gebäude tun. Was würde passieren, wenn eine Ausländerin – die ich bin – die Gerüche des Sonnenbergs nicht nur neu denkt, sondern auch neu kreiert? Was wäre, wenn ich eine fiktive Geschichte phantasievoller Düfte des Sonnenbergs erzähle?

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Tainá: Ich finde das Viertel und seine Nachbarschaft sehr schön. Mir gefällt der Blick auf die Stadt von der "Spitze" des Sonnebergs aus. Manchmal bedeckt bei Sonnenuntergang ein geheimnisvoller Nebel Teile der Gebäude. Die Aussicht auf die Dächer ist atemberaubend. Mein Lieblings-Lebensmittelgeschäft in der Stadt "Peacefood" befindet sich hier - meine stärkste Verbindung zu Lebensmitteln hier. Sie haben eine gute Auswahl an Zutaten, und die Vielfalt ist sichtbar, schmeckbar und man kann durch den Geschmackssinn die Bedeutung der Bewahrung der Vielfalt auf unserem Planeten verstehen. Geschmack ist einer der überzeugendsten Sinne, die wir haben. Ich glaube, es ist der Sinn, den wir am meisten vertrauen und verstehen.

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Kannst du / Könnt ihr uns jeweils einen kleinen Ausblick auf die entstehende Arbeit geben? Auf was dürfen sich Besucher:innen der Präsentationswoche vom 12.12. bis 18.12. freuen?

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Klara: "Wegen des gegenwärtigen Weltwahnsinns, war ich in letzter Zeit sehr an Selbstfürsorgeerfahrungen interessiert und wie man Rituale schafft – wie man Menschen Raum zur Verarbeitung all dessen gibt, was wir im Kunstkontext durchmachen.

Zum Beispiel habe ich in Berlin einen komplett weißen Raum, inkl. großem weißen Kissen (7 m) in einem Galerieraum in Berlin-Mitte geschaffen. Der Raum war mit Meeres- und Luftgerüchen parfümiert, und ich habe einen sich wiederholenden dröhnenden Klang entworfen, der Besucher:innen hilft sich zu entspannen. Ich wollte, dass die Menschen in der Lage sind, zu kommen und im Raum zu bleiben, solange es eben notwendig ist. Eine Pause von der Pandemie und ihrem Privatleben.

Hier auf dem Sonnenberg arbeite ich daran, jene Selbstpflegepraktiken mit den neutralen Aromen der Nachbarschaft zu verbinden. Hierfür habe ich einen rituellen Teppich zur Selbstpflege entworfen, der aus Wolle hergestellt wird. Der Teppich enthält verschiedene eingearbeitete Symbole. Sie sind Darstellungen meiner eigenen Heilungs- und Fürsorgepraktiken. DMit ist bewusst, dass dies sehr privat ist und nicht jeder damit zu tun haben könnte, daher möchte ich meine Praktiken teilen und sie auf eine eher persönliche (statt private) Ebene bringen – die Verbindung zwischen dem Geruch der Nachbarschaft und dem, was wir tun können, um uns besser zu fühlen, indem wir uns vorstellen, welche Düfte wir gemeinsam für eine bessere Zukunft kreieren könnten.

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Tainá: Ich erarbeite eine Installation aus sieben großen Drucken (3,5m x 2m) und sieben Videos, in Zusammenarbeit mit Chemnitzer:innen  unterschiedlicher Hintergründe. Die Installation nutzt das Selbst, um Begriffe auszupacken, die Identität und Symbolik widerspiegeln. Die Einzelpersonen oder so genannte "Entitäten", die auf den Drucken abgebildet sind, fungieren als Oberfläche zur Sensibilisierung von Anmerkungen zu Fragen im Zusammenhang mit der Vielfalt. Die visuelle Verkörperung von Lebensmitteln entfaltet persönliche und kollektive Identität, und Verbindungen zwischen Elementen und Bereichen, die seit Anbeginn der Menschheit Thema sind.

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